Danke Mama

Meine Mama - sie ist einfach gestorben. Plötzlich war sie krank, richtig krank. Der Husten ging nicht mehr weg. Das Atmen wurde mühsamer, das Gehen, alles war extrem anstrengend für sie. Und ich habe sie ordentlich motiviert und unter Druck gesetzt - "komm, gehen wir ein bisschen spazieren, komm, mach das, komm, tu das.. ." - dabei konnte sie gar nicht mehr. Aber ihr Muttertier hat brav funktioniert, mir zu Liebe. Dann kam der Tag an dem ich sie zwang zum Lungenfacharzt zu gehen. Ein Blutschnelltest gemacht. CRP Wert 400. BÄMM! Maximalwert sind 8!!!. Also ab ins Spital, Infusion bekommen, dann wurde sie wieder heimgeschickt. Die Ärzte sagen, Mama wäre dehydriert. Ja, wie gibt‘s denn das? Sie trinkt doch regelmäßig und gut?! Sie gesteht mir, dass es ihr zu mühsam war, das Glas zu holen, die Flasche zu heben, Wasser zu trinken. Ich bin fassungslos.  Kontrolle in 3 Tagen im Spital. Der Husten wird schlimmer. Sie verliert ihre Kraft vor meinen Augen. Und ich kann nichts dagegen tun. Bei der Kontrolle wird sie stationär aufgenommen. Sie ist sauer, sie will das nicht, sie will nach Hause. "ich huste ja nur" sagt sie. Die Rollen vertauschen sich, ich werde streng, bin die Mama quasi. "Nein, du hustest nicht nur! Du hast einen Entzündungswert im Blut von 400!!! Du bleibst bitte hier im Spital, die checken dich durch, helfen dir alles reparieren und danach geht‘s dir wieder gut". Dachte ich jedenfalls.

 

Die Tage kommen und gehen, viele Untersuchungen und blaue Flecken. Dann der Anruf, ich möge ins Spital kommen, die Ärztin ist sehr lieb, ganz sanft erklärt sie, es gäbe eine vorsichtige Diagnose. Metastasen da, Metastasen dort.  .. schnauff* -- okay, wir wussten ja, das was ist, okay, das kriegen wir hin, wir schaffen das, dauert es halt ein bissi länger wie erwartet, aber egal, wir schaffen das...

 

Die Tage ziehen sich, sie wird immer müder, schickt mich teilweise sogar nach Hause, weil sie schlafen will. An anderen Tagen sitzen wir im Aufenthaltsraum und pokernwürfeln, reden, lachen.  Sie hasst die ganzen Untersuchungen, das ewige Blutabnehmen ist eine Tortur, ihren Venen sind zu „schlecht“. Sie fürchtet sich vor dem Leberstich. Sie hat echt Angst. Das erste Mal, dass meine Mutter mir sagt, dass sie Angst hat.  Meine Cousine besucht sie auch oft. Meine Mama ist ja ihre „Zweitmama“. Sie ist verzweifelt positiv, meine Cousine, ich liebe sie dafür. Viele Freunde kommen Mama besuchen, eigentlich will sie das alles nicht. Es ist ihr unangenehm, dass man sie so sieht. Kenn ich - war bei mir auch so, wenn es mir ganz mies gegangen ist, wollte ich nur meine Eltern sonst niemanden sehen. Deshalb verstehe ich das und lasse sie schlafen. Schlaf dich gesund Mutterwisch, alles wird gut. Sie ist so müde, dass sie nuschelt, undeutlich spricht, wilde Kombinationen am Handy tippt, die ich erraten darf. Sie isst wie ein Spatz, fünf, sechs Bissen maximal, dann wird ihr schlecht. Ich mache mir Sorgen. Sie schiebt ihr Rollwagerl über den Stationsgang und schnauft dabei wie eine Dampflok. Ihre Beine schwellen an. Sie bekommt einen Ausschlag, von einer Lymphmassage sagt sie. Never ever. Was auch immer das ist, das hab ich noch nicht gesehen. Feuerrot und erhöht. Nicht gut. Sie kämpft sich mit mir in den Aufenthaltsraum und danach gleich wieder zurück ins Bett. Liegen geht nicht, da hustet sie zu viel. Ich fahre in Apotheke und hole Hustensaft, denn im Spital geben sie ihr keinen. Mit dem Hustensaft kann sie wenigstens ein bisschen schlafen. Ohne ewigen Hustenreiz.

 

Die Ärzte schlagen vor die Station zu wechseln, rüber auf die Onkologie. Okay auch gut, dann halt dort weiterkämpfen. Ich helfe ihr sich dort einzurichten, sie kann viel nicht mehr, die Kraft schwindet täglich. Ich beginne zu verstehen, dass das eng werden könnte. Sie sitzt am Bett in ihrem neuen Einzelzimmer und schaut mich mit leicht verwirrtem Blick an und sagt: " Irgendwas stimmt nicht mit mir"  - ich weiß Mama, ich weiß. Ich streichle sie und mache ihr Mut. „Du weißt Mama wir schaffen das. Das ist jetzt ein bissi mühsam, ich weiß, aber wir schaffen das.“ Sie nickt müde. Die Gänge auf der Onkologie sind viel enger als auf der 3ten Med. Aber sie braucht sie nicht mehr. Sie schafft gerade noch so die 5 Schritte Richtung WC, von „den Gang entlang gehen“ ist jetzt keine Rede mehr. Jetzt habe ich wirklich Angst. Sie bekommt gelbe Augen, als hätte jemand über Nacht einen Lidstrich in grellgelb gezogen. Die Leber spielt nicht mehr mit. Die Beine schwellen weiter an. Es drückt ihr das Wasser aus der Haut. Ich bin fassungslos hilflos. Die Schwestern erklären mir: das hatte sie gestern schon. Nein, hatte sie nicht! Ich war abends noch mal im Spital, da waren die Beine zwar geschwollen, aber trocken. Die Beine sehen aus, als würden sie demnächst platzen. Das muss furchtbar wehtun. Sie sagt keinen Ton. Ich sehe ihr an, dass sie nicht mehr will. Sie bekommt einen Stent in den Hals, weil die Venen nicht mehr mitspielen. Meine kleine Indianerin sage ich zu ihr und mache ein Foto.  Es wird das letzte sein, auf dem sie aktiv sitzt und mit mir in halbganzen Sätzen spricht. Sie ist so müde. Sie will nur schlafen. Mein Cousin kauft ihr einen Ventilator. Draußen hat es 35 Grad. Im Zimmer steht die Luft. Wir sitzen, reden, ich streichle ihren Kopf, sie liegt im Bett und will raus. Sie hat aber keine Kraft zu stehen. Die Sprache verliert sie jeden Tag mehr. Sie ruft mich an und sagt, das Handy ist kaputt, sie kann nicht telefonieren. Ich darauf: „du telefonierst doch gerade mit mir Mama“ – ich begreife, dass sie das Handy nicht mehr bedienen kann. Ich fahre abends zu ihr, in der Hoffnung, dass das Handy kaputt ist und merke, sie hat noch mehr abgebaut hat. Die Muskeln beginnen zu verschwinden, das kann ich sehen. Fleisch, das an Knochen hängt, kraftlos.  Ich frage sie, ob ich das Handy mitnehmen soll, damit sie keinen Stress damit hat. Viele Freunde rufen sie im Spital an, wollen wissen wie es ihr geht, mit ihr reden, ihr Mutmachen. Mit ihrem Bruder hat sie seit sie im Spital ist viel öfter telefoniert, als in der Zeit vorher. Das ist beiden gut. Die Zwei brauchen das dringend. Aber jetzt kann sie nicht mehr. Deshalb nehme ich das Handy an mich, schreibe allen, dass sie nicht erreichbar ist. Am Nachhauseweg rufe ich Fritz an, unseren Chirurgen, der Krebskapazunda. Aufgrund aller Symptome die ich ihm schildere, sagt er – „nicht gut. Wenn sie jetzt die Sprache verliert, hat sie wahrscheinlich schon Metastasen im Hirn“. ---- TILT. ---- Mein Kopf geht leer. Ich schalte um auf Funktionieren. Jetzt bloss nicht denken. Alles nur nicht denken.

Ich verbringe viel Zeit bei ihr, sitze neben ihr, streichle sie, sage ihr wie lieb ich sie habe. Versuche krampfhaft den Gedanken zu vermeiden, dass sich das nicht mehr ausgehen wird. Ich kann doch nicht aufhören, ihr Mut zu machen! Ich weiß, dass sie nicht kämpft, ich spüre das. Sie will nicht mehr. Sie hat so genug von den Quälereien im Spital. Wir fallen zu dritt in ihr Zimmer ein, wilder Aktionismus. Ich schaue mir selber zu wie ich in dem Zimmer herumfuhrwerke. Mama, iß das,schluck das, trink! Sie memmelt an ihrer Lychee herum, mir zu Liebe, würgt die Wobenzym hinunter, nimmt Notfalltropfen. Alles mir zu Liebe. Dennoch funkelt sie mich an. Ich weiß genau, was sie sagen will. Ich nerve sie. Ich kenne den Blick. Sie trinkt maximal ein, zwei Schluck Wasser. Als ich am nächsten Tag komme, stehen die Getränke unverändert auf ihrem Beistelltisch. Mist. Ich bitte die Schwestern einmal stündlich ins Zimmer zu gehen und ihr ein Glas Wasser in die Hand zu geben. Sie kann es nicht mehr von alleine vom Beistelltisch rüber ins Bett heben. Die Schwester sagt mir, dass meine Mama zu schwach für eine Behandlung ist. Man überlegt sie auf die Palliativstation zu bringen. BÄMM.  ---Wenn sie das hört, weiß sie, dass man sie aufgegeben hat. Oh mein Gott. --- Ich versuche mir die Palliativstation schön zu reden. Mehr Personal, die passen auf, ob sie war isst und trinkt, mehr Ruhe für Mama, weniger Stress, keine Piksereien .. usw.

Dani hat die Idee einer Bioresonanzmessung bei einer Ärztin in der Hinterbrühl. Es ist spätabends. Die Ärztin kommt lange nach ihre Ordinationszeit noch einmal in die Praxis um Blut, Haare und Speichel meiner Mutter in ein russisches Biofeedbackgerät einzuscannen. Wir sitzen bei ihr bis 22.30 Uhr und reden. Sie erklärt uns, dass sie erkennen kann, dass alle Systeme in meiner Mutter abschalten. Ich habe es gewusst. Dani fällt aus allen Wolken. Sie blafft mich in ihrer Verzweiflung sogar an: „Du kannst sie doch nicht einfach aufgeben, sie wird kämpfen“. Ich gebe sie nicht auf. Ich sehe nur was ist. Die Ärztin will kein Geld dafür, weil die Prognose so niederschmetternd ist. Wir fahren hundemüde ganz langsam nach Hause. Ich kann mich fast nicht konzentrieren. Ich funktioniere.

Beim nächsten Besuch sage ich Mama, dass die Ärztin keinen Krebs erkennen konnte (weil er so gut versteckt ist hat die Ärztin gesagt,  - das sage ich ihr aber nicht). Das erste Mal in meinem Erwachsenenleben habe ich meine Mutter angelogen. Und sie ist so erleichtert. „Kein Krebs?“ fragt sie leise, „kein Krebs?“ – „Dein Körper ist vergiftet, ganz böse vergiftet“ sage ich „das Ausleiten ist das Problem.“ „Gottseidank, kein Krebs“ nuschelt sie. Ich verstehe plötzlich, dass sie aufgehört hat zu kämpfen, als ihr die Ärzte gesagt haben, dass sie Metastasen im Körper hat. Vielleicht wird jetzt doch noch alles gut, und wir lachen in einem Jahr darüber und sagen „Damals hast mich ordentlich erschreckt, damals war es echt knapp“. Vielleicht kämpft sie jetzt und alle Systeme starten neu. Ich bin bereit für Wunder Chef! Her damit. Ich nehme Wunder an. Danke schön!

Hilde hat einen AyurvedaTee mit, den gibt sie Mama zu trinken und es passiert ein Wunder!!! Mama will mehr Tee! Ganz leise sagt sie „Tee“. Wir geben ihr das Schnaberlhäferl in die Hand, sie trinkt selbst! Sie richtet sich sogar ein bisschen dafür auf im Bett. Hilde und ich werfen uns einen Blick zu. HALLELUJA, sie trinkt – freiwillig! YES !

Sie trinkt fast einen halben Liter Tee. Sie weint, weil der Katheder so schmerzt beim Pinkeln. Ich weiß Mama ich weiß. Ich wünsche innig, ich könnte ihr das abnehmen. Ich kenne das. Der Schmerz ist wie eine Feuerflamme durch den ganzen Körper. Man fürchtet sich vorm nächsten Harntröpfchen.  Das rechte Bein kann man nicht einmal mit einem Finger berühren so weh tut es ihr. Sie schreit und weint. Sie ist echt verzweifelt. Wir gehen trotzdem frohen Mutes, denn sie hat freiwillig getrunken. Jetzt geht es aufwärts. Wir schaffen das. Ich telefoniere nachts noch mit dem Hersteller, ich komme morgen früh und hole den Tee für Mama. Der Hersteller ist gerade auf Urlaub, aber er hilft mir und die Tochter will mir öffnen morgen früh, sie kommt extra ins Geschäft.

 

Um 8 Uhr früh läutet mein Telefon.

„Kommen Sie bitte in Spital. Ihre Mutter ist nicht mehr ansprechbar. Sie baut stündlich ab. Es kann Stunden oder Tage dauern.“ ……….

Ich rufe meine Cousine an, meine Stütze, (Danke Dani) und informiere sie, dass ich jetzt ins Spital fahre, weil…

Nicht denken, autofahren, nicht denken, autofahren..

Sie liegt am Rücken, mit offenem Mund, atmet stossweise. Ich setze mich zu ihrem Bett und nehme ihre Hand. Ganz verschwitzt, kalt. Ich rede, singe, streichle sie. „Mama, ich hab dich so lieb. Lass den Körper bitte einfach los, er ist kaputt, er kann nicht mehr, schlaf dich einfach hinüber. Mama, ich danke dir. Du bist die beste Mama. Ich liebe dich. Mach dir keinen Kopf. Ich schaff das schon, irgendwie. Bitte lass los. Das geht so nicht mehr. Ich hab dich so lieb ……“

Irgendwann sind Dani und Werner da. Sprachlos. Hilflos. Wir sitzen/stehen rund um ihr Bett. Beobachten jeden Atemzug. Heinz kommt, mein geliebter Sternenbruder. Er war schon mal „drüben“. Damals war er 16. Er erzählt ihr, wie es drüben ist. Schön sagt er, viel schöner als hier.

Jeder spricht mit ihr – in Gedanken oder leise.

Lass los Mama bitte lass los. Tu dir das nicht an. Du musst dir keine Sorgen machen. Alles ist gut.

Bitte Bitte lass einfach los. Du bist nicht der Körper. Du bist eine grandiose Seele, das weißt du. Mama, geh mit den Engeln mit. Bitte. Quäl dich nicht. Lass einfach los.

Heinz beginnt aufzuzählen, was beim Sterben passiert..

Und all das macht sie.. genauso .. wie er es sagt…

Und dann plötzlich spricht sie noch etwas.. wir hören es nicht.. aber sie formt Worte ..

Dann ausatmen.

Jeder im Zimmer spürt. Sie ist weg. Sie ist gegangen.

Wir warten. Ob doch noch ein Atemzug kommt.

Nein, sie ist weg.

Mama ist weg.

Heinz fragt: Hat sie noch einen Puls?

Nein, da ist nix mehr.

Wir warten noch ein bisschen. Dann läute ich nach dem Arzt.

Ich streichle sie.

Danke Mama. Danke für Alles. Danke, dass du gegangen bist. Ich danke dir.

Ich liebe dich. Danke. Ich hab dich lieb. Danke, dass du losgelassen hast.

Zeitpunkt des Todes  8.8.19 - 11.33Uhr.

 

Die linke Hand beginnt die Farbe zu verlieren, als würde man mit der anderen Hand langsam die Hand entlang streichen, in der Geschwindigkeit verschwindet das Rosa.

Sie ist weg.

Ich liebe dich Mama.

 

Danke für Alles. Du warst eine grandiose Mama, nervig, lieb, ewig bereit dein Letztes für mich zu geben. Danke. Ich danke dir. Ich liebe dich. 

Beisetzung 9.9.19

 


Meine Mama –

 

Wer war Sie ? In den letzten Stunden/Tagen seit ihrem Tod denke ich viel über sie nach,  über ihr Leben, ihre Werte, ihre Lieblingssachen, ihre Freude, ihre Wahrnehmung. Ich weiß viel über meine Mama, natürlich. Wir haben sehr, sehr viel Zeit miteinander verbracht. Jeden Tag mehrmals telefoniert, waren gemeinsam unterwegs, am See, am Hafnerberg, singend im Auto, lachend, kichernd …

 

Sie hat mit mir echt ein „schwieriges Kind“ bekommen. Ab dem elften Lebensjahr war ich  immer mehr in Spitälern als zuhause. Immer Sorgen, immer neue Diagnosen, viele Tränen, viele Gebete. Sie hat alles tapfer ausgestanden. Sogar als ich 2016 ins Koma fiel und 3 Wochen schlief .. Sie hat diese Zeit irgendwie verarbeitet. Ich habe keine Ahnung wie. Ich bewundere sie.  Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, würde mein Kind im Koma liegen und ich muss nur warten, hoffen, warten, hoffen… Gut, dass ich selbst keine Kinder habe. Sie wollte auch nicht darüber reden, über alles andere ja, aber über diese spezielle Krise nie. Sie war mein Fels in der Brandung. Ich habe sie viel zu oft sekkiert, ihr Muttertier hervorgelockt mit meinen kleinen Hänseleien. Sie war eine Übermama. In meiner Jugend hatte ich große Probleme mit dieser Art der Kontrolle. Für mich war ja völlig normal mit 16 Jahren um 18 Uhr zuhause zu sein. Das war halt so. Meine Eltern wussten immer wo ich bin, mit wem und wann ich wieder komme. Ich bin mir nicht sicher wie viele Eltern das heute interessiert, wo ihre Kinder sind, oder mit wem.

 

Meine Eltern wollten mich, sie haben mir geliebt vom ersten Moment an. Mein Vater hat mich geliebt und er hat auf mich aufgepasst. Da ist sie auch oft mit ihm aneinander geraten. Sie hat für mich mir meine Freiheiten erkämpft, wie Kinogehen, ins Theater gehen dürfen, Radfahren auf der Straße, nagelneue Rollschuhe, den Führerschein, mich verloben, eine eigene Wohnung.. Ich hab es ihr damals nicht gedankt. Ich war ein Papakind. Sehr lange. Ich dachte früher oft, sie macht alles so kompliziert. Ich wusste ja nicht, dass sie nachts mit meinem Dad diskutiert hat, ob ich das oder jenes darf, oder nicht. Sie war eine sehr liebe Mama. Eine dir mit mir gelernt und gelesen hat, eine dir mir alles erklärt hat, meine 1000000 Fragen beantwortet hat, eine die immer ein offenes Ohr gehabt hat, eine die mich auch manchmal sekkiert hat, wenn ich allzu doof war mit meinen jugendlichen Ansichten, ich hatte echt Glück. Ich hatte wahrhaft gute Eltern. Das fiel mir aber erst auf als ich in die Volksschule gekommen bin. Und dort auf andere Kinder traf, deren Eltern sie schlugen, verbal misshandelten. Ich war so geschockt, dass Eltern so mit ihren Kindern umgehen können. Das war eine fremde Welt für mich. Danke dafür an meine Zwei, dass ihr mich so innig geliebt habt. Danke. Ich liebe euch.

 

Meine Eltern haben sich geliebt, sie waren verliebt, einander zu getan. In der Schwangerschaft mit mir hat Mama sehr viel zugenommen, das war nicht förderlich für die Ehe meiner Eltern. Mein Vater war grausam manchmal, wenn es um dieses Thema ging. Dabei konnte sich nichts dafür. Ihr Körper hat auch mich so reagiert. Die Ehe meiner Eltern war ein Auf und Ab. Grandiose, liebevolle, lustige, freudige, leicht verrückte Eltern im Urlaub und kontrollierte, strenge, verzweifelte zuhause. Es war nicht einfach. Für beide nicht. Jeder hatte sich das anders vorgestellt. Sie haben halt so irgendwie weitergemacht. Mit all den Sorgen um meine Gesundheit.

 

Paps hat sich 2003 aus dem Leben verabschiedet, nach 6 oder 7 Herz-Neustarts im Krankenhaus. Mit einem Schlaganfallareal so groß wie eine Handfläche. Als ich sein CT sah war mir klar, dass sich das nicht ausgeht, dass das nicht mehr gut wird. Der Schock war groß. Und ich blieb fast 2 Jahre in einer Art Schockstarre und habe einfach funktioniert. Jetzt 2019 ist meine Mama plötzlich gegangen. Dabei war es doch nur Husten, dachten wir. Drei Wochen Krankenhaus – fast auf den Tag genau. Wie mein Vater damals auch. 21 Tage braucht der Menschliche Körper um etwas zu verstehen. ICH musste es verstehen. Meine Eltern haben MIR dieses Geschenk gemacht. Drei Wochen voller Leid, Angst und Schmerz für jeden von ihnen, damit ICH verstehe, dass sie aus dem Leben gehen werden. Danke!

 

Ich sitze hier und tippe und währenddessen bin ich erstaunt über mich selbst. Ich verstehe überhaupt nicht, warum meine Mama jetzt gegangen ist und „mich allein zurück gelassen hat“. Und gleichzeitig bin ich froh und sehr dankbar, dass sie diesen zusammenbrechenden Körper einfach losgelassen hat und hinüber gegangen ist. Friedlich. Wir waren dabei. Einfach ausatmen und  - weg. So wie sie es sich gewünscht hat: einfach einschlafen. Rüber schlafen. Ich vermisse dich. Aber nur ein bisschen. Denn ich habe große Angst dieses Gefühl zu spüren, dass da in mir langsam aufsteigt. Du bist weg. Für immer weg. Nie wieder. PUH! .. es würgt mich. Schnell ausatmen, damit das nicht zu weit raus kommt. Einfach weitermachen. Einatmen, Ausatmen. Sachen organisieren, Dinge aus Laden räumen, ihren Geruch wahrnehmen und davonrennen, weil ich es nicht aushalte. Sicher in meiner Wohnung sein. Ohne all diese Eindrücke in ihrer Wohnung. Sie fehlt mir. Ich weiß, dass das Gefühl irgendwann aus mir herausbricht und ich habe echt Angst davor.

 

Also erinnere ich mich lieber wer meine Mama war. Lustig, Launisch, Stur – wenn etwas nicht nach ihrem Schädel ging konnte sie unglaublich widerspenstig und bockig sein. Ich habe so viele lustige Situationen mit ihr im Kopf und dann kommt wieder das letzte Bild in dem Spitalszimmer – schei**  - es ist wahr. Sie ist weg. Ich fühle mich hin und her gerissen zwischen Nicht-Fühlen-Wollen und Fühlen-wie-lieb-ich-sie-habe.

 

Sie hat mich nur wenige Mal in meinem Leben angeblafft. Und meistens weil ich gerade durchgedreht habe, wegen meiner Krankheit. Sie war immer ruhig, kontrolliert eigentlich fällt mir gerade auf, witzig so habe ich das nie gesehen.

 

Sie hat sich immer ungerecht behandelt gefühlt, fühlte sich verletzt von Menschen, vom Leben, von Freunden, ihrer Familie. Sie hat Dinge erlebt in ihrer Kindheit, die kann ich mir gar nicht vorstellen. Wie - eingesperrt im tiefen Keller in Mariahilf, damit sie keiner weinen hört, wenn die Oma (ihre Mama) arbeiten geht (und erst Stunden später wieder heimkommt von der Arbeit) oder angebunden am Esstisch, mit der Auflage diesen ja nicht zu verlassen, sonst holt sie „der schwarze Mann“ oder „die böse Hexe, die Kinder frisst“. Sie hat sich nie vom Tisch herunter getraut. Stundenlang. Nicht einmal wenn sie aufs WC musste. Erst wenn ihre Mama abends wieder gekommen ist … unvorstellbar. Sie wurde von ihrer Mama abgegeben im Kloster. Wortlos. Denn damals hat man mit Kindern nicht gesprochen. Kinder mussten einfach funktionieren. Sie dachte, sie wäre irgendwie furchtbar schlimm gewesen und ihre Mama hätte sie einfach abgeben bei den Klosterfrauen. Und diese Klosterweiber, wie Mama sie genannt hat in späteren Jahren, waren nicht „mitfühlend“, sondern widerwärtig, dominant, brutal, verletzend und haben in Kinderseelen großen Schaden hinterlassen.

 

All diese Grässlichkeiten und Brutalitäten hat sie niemals an mich weitergegeben. Sie hat mich geliebt. Ich war ihre Tochter, auf die sie stolz war. Nicht nur weil ich als Sängerin erfolgreich war, sondern einfach nur weil ich ihr Wuzzibutzi war. Meine Mama. Gott, ich vermisse dich. Wie wird das sein, wenn ich NIE WIEDER mit dir reden kann? Ich halte das nur ganz schwer aus.

 

Aber du hast mich stark gemacht. Du dachtest zwar immer, ich wäre die Stärkere von uns beiden, aber das stimmt definitiv nicht. Was du alles mitgelitten hast mit mir, ich wäre nie so stark, das weiß ich jetzt. Denn diese letzten 3 Wochen mit dir im Spital waren sehr anstrengend für mich. Ich bin dich täglich besuchen gefahren, an manchen Tag zweimal. Besonders  als ich dann gemerkt habe,  dass da mehr nicht stimmt, als wir gedacht haben.

 

Der Verlust der Sprache, das Verschwinden der Muskeln – all das hat mich auf die letzten 5 Tage vorbereitet. Die 5 Tage in denen sich alles täglich ja fast stündlich verschlimmert hat, bis zum 8.8.

 

An dem Tag bist du gestorben. Und ich saß neben dir, hab dich gestreichelt und mich bedankt. Danke Mama. Ich hatte eine grandiose Mama. Ich weiß, dass du mich lieb hast. Danke, dass du losgelassen hast. Ich liebe dich. Es tut weh. Ich bin dankbar. Ich liebe dich. Ich will‘s nicht aushalten. Ich werde es aushalten, Euch zu Ehren. Danke.

 


Muttertag - ein besonderer Tag

8. Mai 2016 -Muttertag

der Tag, an dem ich fast gestorben wäre


Ja der Muttertag 2016 war ein ganz besonderer Tag. ---- Der Tag, an dem ich fast gestorben wäre. 

Wenn meine Mutter nicht gewesen wäre ..

 

  • Die, aus einem Gefühl heraus, viel früher als verabredet zu mir kam
  • Die schnell um Hilfe rief
  • und mir damit erneut mein Leben geschenkt hat.

                                                                     Danke Mama!

 

                   Für meine neue Chance, mein zweites Leben - am Muttertag 2016, Mai 8.

 

                       Ich gebe acht. Auf mich. Auf dich. Auf das Leben. Danke.

 

Ich sehe das Leben neu. Bunter. Fröhlicher. Feinfühliger. Liebevoller. Lichtvoller.

 

                                   Freier und - Gesünder als ich jemals war. Ich danke dir. Innig!

 

Danke Mama!